Horst Fischer

Horst Fischer

Kostas Galinaitis

 

Wir mussten alles mit ansehen und alles essen... Ich weiß nicht, wie wir das überlebt haben.

 

Horst Fischer wurde im ostpreußischen Friedrichsdorf geboren. An die genauen Geburtsdaten der Familienmitglieder und auch seiner selbst kann er sich nicht erinnern. Sein Geburtsjahr wurde von einem litauischen Ärzteausschuss auf 1939 festgelegt. Wahrscheinlicher ist, dass Horst Fischer 1937 oder 1938 geboren wurde. Außer Horst gab es den jüngeren Brüder Manfred, doch auch dessen Geburtsdatum, der 3. September 1940, wurde von einem Ärzteausschuss festgelegt. Die Namen ihrer Eltern oder Großeltern wissen die Brüder nicht mehr.

Horsts Mutter starb bereits vor Ausbruch des 2. Weltkriegs an einer schweren Krankheit.

Horsts Vater wurde gleich zu Kriegsbeginn an die Front geschickt.

Das Geschwisterpaar Horst und Manfred wuchs bei den Großeltern auf. Die Großeltern besaßen einen großen Bauernhof, auf dem sie Kühe hielten. Als die Rote Armee in Ostpreußen einmarschiert war, begaben sich die Großeltern zusammen mit den Enkeln auf die Flucht. Das war im Herbst 1945. Horst erzählt: „Ich hebe den Kopf, streife die Bettdecke ab und sehe mich um. Es kommt mir vor, als ob ich über Eis fahre. Wenn Flugzeuge auftauchen, spritzt das Blut und die Pferde gehen zu Boden.“ Die Flüchtlingstrecks zogen in vormalig polnisches Gebiet, doch Horst weiß nicht mehr, wo genau die Brüder und ihre Großeltern Halt machten. Als die Sowjets kamen, hieß es, sie sollen wieder nach Hause zurückkehren. Da sind sie alle die gleiche Strecke wieder zurückgegangen. Als sie am Haus der Großeltern ankamen, stand dieses zwar noch, aber sowjetische Soldaten hatten viele der Holzdielen bereits herausgerissen, um sie als Brennholz zu verwenden. Dennoch war das Haus noch bewohnbar.

Als es Frühling wurde, arbeiteten die beiden Alten auf dem Hof, und die Brüder bleiben allein zuhause. Die betagten Großeltern starben bald und die Brüder waren daraufhin ganz auf sich gestellt. Ringsum herrschte eine Hungersnot. Sie wurden daraufhin von einer ihnen unbekannten deutschen Frau aufgenommen, die sie in den Zug setzte und nach Litauen brachte. Horst glaubt, dass sie in der Nähe von Kybartai ausstiegen und dann um Brot bettelnd durch die Nachbardörfer zogen.

Im Herbst 1945 trafen die Geschwister in Kuosiai (heute Rajongemeinde Vilkaviškis) auf die Familie von Jurgis und Barbora Jakubauskai, die schließlich Horsts jüngeren Bruder Manfred bei sich aufnahm und ihm einen neuen Namen gab: aus Manfred Fischer wurde Bronius Jakubauskas. Die vielköpfige Familie Jakubauskai kümmerte sich gut um ihn. Bronius durfte zur Schule gehen und konnte später einen Beruf ergreifen.

Später gründete Bronius Jakubauskas eine eigene Familie, mit der er in Daržininkai lebte. Er starb 2014.

Horst Fischer zog weiter bis in das Dorf Stolaukėlis (heute Rajongemeinde Vilkaviškis), wo er bei der Familie von Simas und Marijona Galinaičiai Obdach fand. Sie gaben ihm einen neuen Namen und ließen ihn umtaufen. Aus Horst Fischer wurde Kostas Galinaitis. Seine Stiefeltern behandelten ihn gut und ließen ihn zur Schule gehen. Die Brüder Horst und Manfred, mittlerweise Kostas und Bronius, hatten Kontakt und besuchten die gleiche Siebenjahresschule in Klampučiai, die später unweit der Wohnorte der Brüder gegründet wurde.

Später ließ sich Kostas Galinaitis zum Fahrer ausbilden. Er leistete den dreijährigen Wehrdienst bei der Sowjetarmee ab und begann nach seiner Rückkehr als Fahrer zu arbeiten. 1968 heiratete er Julijona Vaškevičiūtė. Das Paar bekam die Töchter Vida und Laima sowie den Sohn Alvydas. Die Familie lebte in Kybartai (heute Rajongemeinde Vilkaviškis).

Nach Wiedererlangung der litauischen Unabhängigkeit konnten die Geschwister in Erfahrung bringen, dass ihr Vater den Krieg überlebt hatte, inzwischen in Deutschland lebte und sie suchte. Leider haben sie sich nicht mehr wiedersehen können, denn der Vater starb bereits 1982. Insgesamt konnten Horst und Manfred nur wenig über ihre Familie in Erfahrung bringen.