Ein Preussen, das es nicht mehr gibt...

Preußen gibt es heute nicht mehr.

Das Gebiet zwischen dem Unterlauf der Weichsel und der Memel, in dem seit prähistorischen Zeiten der baltische Volksstamm der Preußen lebte, wurde in der ersten Hälfte des 13. Jh. vom Deutschritterorden erobert. Das Land Preußen ist mit dem Ende des 2. Weltkrieges von der Landkarte verschwunden.

Historisch lässt sich die staatsgeschichtliche Entwicklung Preußen in vier Hauptabschnitte gliedern: 1) 1231–1525 herrschte in der Region der Deutschritterorden; 2) 1525–1701 existierte dort das souveräne Herzogtum Preußen; 3) 1701–1870 bestand das Königreich Preußen; 4) 1871, nach der Gründung des Deutschen Reiches, stellte Preußen den östlichen Teil des Reiches dar. Bis 1947 war Preußen formell ein deutsches Bundesland, welches am 25. Februar 1947 vom Kontrollrat der Alliierten des 2. Weltkrieges gesetzlich abgeschafft wurde.

Bereits 1772 wurden im Königreich Preußen die Provinzen Ostpreußen und Westpreußen gebildet.

Die Provinz Ostpreußen stellte das Hoheitsgebiet des Staates Preußen von der Südostküste der Ostsee zwischen der Weichsel und dem Unterlauf der Memel dar. Sie umfasste das historische Preußen mit Masuren und Kleinlitauen mit dem Memelland. Die Fläche erstreckte sich über 39.000 km², Verwaltungszentrum war Königsberg.

Im Lauf der Zeit entwickelte sich Ostpreußen zu einem prosperierenden Wirtschafts-, Industrie-, Handels, Bildungs- und Kulturzentrum. Es war berühmt für seine historischen Burgen im gotischen Stil, öffentliche Gebäude moderner Bauweise, Bildungseinrichtungen, Häfen, Parks, Kunstsymposien und Kurorte. Das Land brachte namhafte Wissenschaftler hervor, darunter Nikolaus Kopernikus (1473–1543), der als erster die Sonne in das Zentrum des Planetensystems stellte, Immanuel Kant (1724–1804), den Vorbereiter der klassischen deutschen Philosophie, den mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Naturwissenschaftler Emil Adolf von Behring (1854–1917), der ein Serum gegen Diphterie entwickelt hatte, den Entdecker der Wärmestrahlungsgesetze Wilhelm Wien (1864–1928), den Enzymforscher Fritz Albert Lipmann (1899–1986) sowie Otto Wallach (1847–1931), der zu azyklischen Verbindungen forschte und zu den Mitbegründern der heutigen Parfümindustrie zählt.

Die beiden Weltkriege versetzten der Entwicklung der Region einen Schlag. Nach dem 1. Weltkrieg verlor Deutschland mit dem Vertrag von Versailles das Memelland, Ostpreußen wurde vom übrigen deutschen Hoheitsgebiet durch den sogenannten Danziger Korridor abgetrennt. Diese Situation schürte den deutschen Revanchismus und verhalf Adolf Hitler an die Macht, der nicht nur die verlorenen Gebiet zurückerobern, sondern auch einen Großteil Europas unterwerfen wollte.

Am 1. September begann der 2. Weltkrieg. Hatte Deutschland in den ersten Kriegsjahren noch erstaunliche Erfolge verzeichnen können, begann es 1942-1943 nach mehreren verlorenen Schlachten seine Position einzubüßen. Die Rote Armee der Sowjetunion setzte mit Unterstützung der sowjetischen Verbündeten einen Feldzug gegen den Westen in Bewegung, um den vom faschistischen Deutschland geraubten Ländern „Freiheit zu bringen“. Die Ostgebiete Deutschlands, d.h. Ostpreußen, Kleinlitauen mit dem Memelland wurden, zum grausigsten Schauplatz des Kriegsendes. Als die Rote Armee im Herbst die ostpreußische Grenze überschritten hatte, fand sich die Zivilbevölkerung der Region unfassbaren Formen der Vergeltung ausgesetzt. Hunderttausende wehrlose Zivilisten wurden ermordet, deren einziges Vergehen darin bestand, Deutsche zu sein.

Mit dem Ende des 2. Weltkrieges blieben im verheerten Ostpreußen zehntausende obdachlose Kinder zurück. Einige Tausend dieser Kinder machten sich auf den Weg nach Litauen und bilden heute einen Teil der litauischen Gesellschaft, über den leider nur wenig gesprochen wird und nur wenig bekannt ist. Diese „Wolfskinder“ wurden Opfer der brutalsten Terrors und Zeugen der schrecklichsten sowjetischen Verbrechen.